Ithuba – eine persönliche Bilanz

Wahljahr ist.
Und deswegen werden wieder Gerüchte, anonyme Anzeigen uvm rund um Ithuba,  die beiden Schulen in Südafrika medial und parteipolitisch motiviert skandalisiert werden.
Nicht nur, weil viele Vorwürfe so absurd sind, habe ich nicht auf jeden geantwortet.
Aber schon länger ist es mir ein Anliegen, die gesamte Geschichte aus meiner Sicht zu erzählen.
Da sich diese Initiative über eine Zeitraum von jetzt schon 25 Jahren erstreckt, wird dieser Text notwendig etwas länger.

Vorgeschichte: Warum Südafrika?

Es begann mit Fernsehen. 1994. Erste freie Wahlen in Südafrika.
Ich kann mich noch genau erinnern. Es war CNN. Ein Hubschrauber fliegt über kahle Landschaften. Mitten drin, eine Blechhütte. Das Wahllokal. Davor eine schier endlose Menschenschlange, aus dem Hubschrauber von oben gefilmt. Dann Landung und Interviews mit jenen, die sich stundenlang anstellen, um erstmals in ihrem Leben, nach Abschütteln der Apartheid, frei wählen zu dürfen.
Glückliche, begeisterte Menschen.
Sie schwärmen von ihrer Zukunft: Endlich Schulen für unsere Kinder, endlich Zugang zu guten Spitälern, endlich eigene Wohnungen, endlich gute Jobs, endlich Wasser- und Strom in unsere Häuser.
All das, erzählen sie, wird jetzt „unsere“ Regierung für uns machen.
Mich hat das tief berührt.
Schon damals war unsere heimische Politik tief von Zynismus durchzogen, Politik auch schon irgendwie „pfui“.
Aber hier, in dieser gerade geborenen Demokratie soviele Erwartungen.
Ich wußte wenig über Südafrika.
Internet gabs noch nicht, dessen Vorläufer hieß für mich: Fischer-Weltalmanach. Ich blätterte nach.
Einwohner Südafrikas (damals) ca 40 Mio, und eine Wirtschaftsleistung (BIP) die deutlich unter unseren österreichischen (Einwohner 8 Mio) lag.
Ausserdem: Südafrika hatte damals schon (leider auch heute noch) im globalen Maßstab eine der ungleichsten Verteilungen von Einkommen und Vermögen.
Man musste kein Ökonom sein, um zu begreifen: All diese Wünsche werden nicht zu erfüllen sein.

„Wir  (im Verhältnis)  reiche Europäer, wir hier im vergleichsweise reichen Wien sollen unbedingt diesen demokratischen Neubeginn unterstützen und einen Beitrag leisten“, das war mein Gedanke.
Ich eilte damit zu damaligen Bürgermeister Zilk.
Und wie so oft im Leben spielte dann der Zufall eine wichtige Rolle.
Ich schildere ihm meine Idee: Wir, die Stadt Wien sollte in einem township in Südafrika eine Schule gründen. Denn gute Bildung, so war damals (wie heute) meine Überzeugung, ist der Schlüssel für ein persönlich wie politisch erfülltes Leben.

Helmut Zilk rief seinem Sekretariat zu: „Gebt’s ma meinen Buam.“
Was ich bis dahin nicht wußte: Helmut Zilks Sohn Thomas lebte in Südafrika und war damals bei der AUA tätig.
Zilk ins Telefon zu seinem Sohn: „Da is grad der kleine Chorherr bei mir. (Zilk nannte mich oft, in Unterscheidung zu meinem Vater der „kleine Chorherr“, ich nahm es ihm nie übel). Der meint, wir sollten da unten eine Schule bauen. Was meinst?“
Ich hörte die Antwort zwar nicht, aber offenbar war sie positiv.
Zilk zeigte daraufhin mit dem Finger auf mich und sagte: „Du bist jetzt die Wiener Delegation. Fahr hin, und schau, was wir tun können“.
Die weitere Geschichte ist schnell erzählt.
Ich traf in Johannesburg verschiedene NGOs, ua die von Thomas Zilk vorgeschlagene NGO education Africa, die uns ein Grundstück im township Orangefarm zeigte und glaubhaft belegen konnte, eine hervorragende Schule bauen und betreiben zu können.
In der Folge beschloss der Wiener Gemeinderat (soweit ich mich erinnern kann in verschiedenen Tranchen) eine Unterstützung von rund 1,5 Mio Euro, mit der das Masibambane College gegründet wurde.
Ich durfte dann bei der Eröffnung dabei sein, wo als Ehrengast Mandelas engster Freund und jahrzehntelanger Gefängnisnachbar Walter Sisulu extra anreiste, um zu zeigen, wie wichtig diese Bildungsinitiative aus Wien in Südafrika gesehen wird.
Heute ist gilt das Masibambane College als eine der besten Schulen im großen township Orangefarm. Ca 1100 Schüler/innen und Schüler lernen dort. Nach der Anschubfinanzierung in Wien sind auch andere Länder (ua Japan) aufgesprungen und haben den Ausbau finanziert.

Vorbild für s2arch: das rural studio in Alabama

Ich fühlte mich für das Gedeihen des Masibambane College ein bißchen mitverantwortlich, verbrachte Urlaube in Südafrika, reiste immer wieder in die townships, erlebte ein in Österreich unbekanntes Ausmaß an Not, Arbeitslosigkeit und Armut, und suchte Wege weitere Schritte der Kooperation und Unterstützung zu finden.
Denn es war mir klar, daß es nicht Aufgabe Wiens sein kann, im großen Ausmaß Schulen oder Kindergärten in Südafrika zu finanzieren.
Dann kam im März 2003 die Ausstellung „just build it“ des Architekturprofessor Samuel Mockbee ins Wiener Architekturzentrum.
Seine Initiative, die mich sofort faszinierte: Architekturstudent/innen entwerfen in ihrem Studium konkrete Gebäude für soziale Zwecke und bauen sie dann auch selbst.
Der Gedanke war bei mir rasch gereift: Das versuchen wir jetzt in für Südafrika.
Ich kannte Peter Fattinger von der TU Wien, der ähnliche Projekte bereits in Wien umgesetzt hatte, und fragte ihn, ob er daran Interesse hätte.
Er sagte ja, und so entstanden, nach Vorbereitung und Fundraising die ersten Projekte. Das feedback der Studierenden, die wochenlang in Südafrika ihr Projekt realisiert hatten  war extrem positiv, auch das Medienecho, und weitere Architekturfakultäten meldet sich bei mir , die ähnliche Projekte realisieren wollten.
Ich dachte, daß sei für die Stadt Wien eine große Chance: Eine Vernetzung europäischer Architekturfakultäten, welche im Zuge ihrer Ausbildung Kindergärten und Schulen für Entwicklungsländer entwerfen und dann diese unter dem Motto „build together learn together“ auch selbst gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort auch errichten.
Ich schlug diese Idee  Verantwortlichen der Stadt Wien vor (zur Erinnerung, damals waren wir Grüne Oppositionspartei), stieß auf positives Echo, und gründete mit Unterstützer/innen zur Koordination den Verein s2arch, um gemeinsam mit anderen ehrenamtlich auch Verantwortung für die Realisierung zu übernehmen.
Per Gemeinderatsbeschluss (zu Beginn einstimmig durch alle Parteien) wurde eine jährliche Unterstützung von 50 000 Euro beschlossen, welche als Anschubfinanzierung v.a. für Baumaterial diverser Kindergärten verwendet wurde.
Von 2003 bis 2008 wurden auf diesem Wege sechs  Kindergärten und zwei Pflegeeinrichtungen für Menschen mit Behinderungen errichtet. Zusätzlich zur Unterstützung durch die Stadt Wien sammelten Student/nnen mit großem Engagement selbst (z.B. so) , nutzten ihre Kontakten in die Baubrache, zu Finanzmitteln der Bundesländer aber auch zu ihren Universitäten.
S2arch kümmert sich um die Gesamtkoordination va darum, daß alle Projekte auch wirklich fertiggestellt wurden.
Hier ein paar Fotos von realisierten Projekten

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Ein Kindergarten, untergebracht in Wellblechhütten, bevor ein s2arch-Projekt dafür eine neues Gebäude realisiert hat.

Dieses sieht nach Fertigstellung dann so aus:

Bildschirmfoto 2020-02-22 um 17.18.34Student/innen beim Bau eines Kindergartens.

Und ein Überblick, welche universitäten Projekte fertiggestellt haben:

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Zwei Ithuba Schulen

Ab 2007 reifte die Idee, nicht „nur“ Gebäude zu errichten, so notwendig sie auch sind, sondern auch dort eine beispielgebende Schule zu gründen, wo besonderer Mangel herrscht.
So entstand ab 2008 das Ithuba-Community- College nahe Johannesburg, welches maßgeblich von Willi Hemetsberger finanziell unerstützt wurde. Er gab seiner Investmentfirma als Zeichen der Verbundenheit mit unserem Projekt auch den Namen ithubacapital.  Nachdem 2009 die Bank Austria eine mehrjährige finanzielle Unterstützung für eine weitere Schule zugesagt hatte, wurde auch das Ithuba Wild-Coast Community College im Eastern Capegegründet, dem ärmsten der neun südafrikanischen Bundesländer.

Heute (2020) kann eine Bilanz gezogen werden, die mich stolz macht:
8 Kindergärten und eine Einrichtung für behinderte Menschen wurden errichtet
Es werden in Summe rund 600 Schüler/innen in den beiden Ithuba Schulen unterrichtet.
Es gibt neben Kindergartengruppen Klassen der Jahrgänge 1-7.
Absolvent/innen beider Schulen zeigen in den von ihnen besuchten weiterführenden Schulen hervorragende Leistungen, und werden deswegen sehr gerne genommen.
Mehr als 700 Studierende aus 12 europäischen Architekturfakultäten haben Gebäude geplant und errichetet.
Alle begonnenen Gebäude wurden fesrtiggestellt und ihre Bestimmung übergeben.
Die beiden Schulen sind Anlaufstellen für idealistische junge wie ältere Menschen aus Europa, die sei es als pensionierter Baupolier, als ausgebildete Sozialpädagogin , ihren Beitrag einbringen um zu unterstützen aber auch selbst zu lernen.
Die südafrikanischen Bildungsbehören haben beide Schule „registriert“ und unterstützen den Betrieb (das sind va Lehrer/innenkosten) mit Subventionen.
Zahlreiche europäische Medien (z.b. hier oder hier) haben wiederholt ausführlich darüber berichtet.
Mir ist keine andere europäische Architektur-Initiative bekannt, bei der 12 Fakultäten aus 4 Ländern (Österreich, Deutschland, Schweiz, Slowenien) über derart lange Zeit ein so großes Projekt gemeinsam realisiert haben.
Aus dieser Initiative könnte viel gelernt werden.
Es kann gelingen durch Vernetzung von Universitäten, NGOs, freiwillige Arbeit und Professionalität in Kooperation mit lokalen Behörden den großen Milleniumszielen der UNO(va Bildung ) deutlich näherzukommen.
Gerade in den Europa naheliegenden Ländern des nördlichen Afrikas oder des arabischen Raums könnte, politischen Willen vorausgesetzt, ähnliches versucht werden. (So meine vielleicht ein bisschen naive Weltsicht)
Hier einige Fotos der beiden Schulen.

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Wer sind die Unterstützer?

Die beiden Hauptsponsoren über die vielen Jahre betrachtet sind einerseits Willi Hemetsberger und andereseits die Bank Austria.

Aber es gab auch Sponsoren aus der Baubranche.

Da es sich in den Aufbaujahren, die erst seit kurzem abgeschlossen sind (beide Schulen sind weitgehend fertiggebaut) um ein Bau- und Architekturprojekt handelt, kamen viele Unternehmen aus der Baubranche damit in Verbindung.
Ganz wesentlich war da eine weitere Ausstellung des AZW Think Global, Build Social! Bauen für eine bessere Welt, im Jahre 2014.
In dieser Ausstellung wurde umfangreich über alle Bauten von s2arch berichtet.
Viele Architekt/innen und Mitarbeiter/innen von Bauträgern besuchten diese Ausstellung, waren vom Geleisteten der Studierenden beeindruckt und zeigten Interesse, weitere Projekte zu unterstützen.
Auch waren die hunderten Studenten quasi „Botschafter/innen“ des Projektes, nützen ihre Kontakte, die als Architekten naturgemäss in der Baubrache zu finden waren.
So spendeten viele.
Auch weil sie aufgrund des bereits Realisierten Vertrauen hatte, daß ihr Geld nicht in Verwaltungsstrukturen versickert, sondern direkt bei konkreten, sozial wirksamen und architektonisch innovativen Projekten landet.
Einige nützen auch ihren Urlaub, um sich vor Ort die Projekte anzusehen.
So sprach sich das Projekt im Architekten/Bauträgerkreis herum.
2017 kam es zu einer Anzeige, welche unterstellte, daß meine Tätigkeit als Gemeinderat der Grünen und die Mitgestaltung im Stadtplanungsbereich durch Spenden beeinflußt wäre. Daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft Vorerhebungen auf.
Ich habe damals sofort unmissverständlich klargestellt: Mein Handeln als Gemeinderat und Stadtplanungspolitiker war ausschließlich von sachlichen Zielen im Interesse Wiens geleitet und in keinster Weise von Spenden beeinflußt.
Niemals hat mich ein Spender um eine Begünstigung ersucht, noch habe ich eine solche auch nur indirekt in Aussicht gestellt.
Jetzt, nach drei Jahren teilweise akribischer Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bin ich von den Ermittlungsergebnissen bestätigt.
Die Staatsanwaltschaft hat dutzende Widmungsfälle analysiert und 19 (!) Mitarbeiter/innen der zuständigen Behörde, der MA 21 unter Wahrheitspflicht einzeln befragt. (Ich kenne als Beschuldigter deren Aussagen)
Die Aussagen bestätigen das für mich Selbstverständliche: Es gibt bis heute keinerlei Hinweis, daß ich in irgendeiner Weise jemanden begünstigt hätte. Ganz im Gegenteil:

Alle Beamten sagen aus, daß ihnen  keinerlei sachwidrige Handlung von mir aufgefallen ist.
Der falter hat den Akt gelesen und in einem ausführlichen, auch sehr kritischen Artikel  das geschrieben:

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Deswegen hoffe ich sehr, daß die Staatsanwaltschaft das Verfahren bald einstellt, denn angenehm sind all die auch öffentlich vorgetragenen parteipolitisch motivierten Vorwürfe  gar nicht.

Weiters möchte ich in Erinnerung rufen, daß s2arch gegründet wurde und Projekte realisiert hat und Spenden erhalten hat, lange bevor Grüne und damit ich in Regierungsverantwortung kamen.
Aus heutiger Sicht wäre es besser gewesen,  ich hätte sieben Jahre nach Gründung von s2arch im Jahre 2010, nach Eintritt der Grünen in die Regierung  meine Vorstandsfunktion bei S2arch zurückgelegt.

DamiAber wie so oft im Leben: Im Nachhinein ist man immer klüger.

Als Erklärung, nicht Entschuldigung: Ich ging immer davon aus, daß zählt, was jemand wirklich „tut“ , und nicht, wie etwas (bei maximalem Misstrauensvorschuß) „erscheint“.
Ich weiss, was ich getan habe:
Ich habe mich ehrenamtlich für den Aufbau – und Betrieb zweier Schulen in Südafrika engagiert. Das Ergebnis möge für sich sprechen.
Und ich habe mein politisches Wirken unbeeinflußt und ausschliesslich nach sachlichen (ökologischen und sozialen) Kriterien ausgerichtet. Auch hier möge das Ergebnis Maßstab sein.
Zum Abschluss ein Statement vom Architekten Wolf Prix, besser bekannt unter coop himmelblau:
„Christoph Chorherr, die Politik und die Architektur * * *
DIE POLITIK
In was für einem Land leben wir, in dem es möglich ist, dass man dem anderen unterstellt, was man selber gerne machen würde, wenn man könnte. Zum Beispiel: bestechen. Christoph Chorherr ist einer der wenigen Politiker, der sich aufrecht und energiegeladen für Architektur und Stadtplanung eingesetzt hat. Ich habe ihn mehrmals in wichtigen Jurys kennengelernt und seine Beiträge als äußerst kompetent erfahren.
Ihm vorzuwerfen, er könnte sich aus persönlichen Gründen für die Widmung von Projekten eingesetzt haben, ist eine Beleidigung der Stadtplanungsabteilung der Stadt Wien.
DIE ARCHITEKTUR
Heute leben wir auf schwankendem unsicherem Grunde. Nicht wissend, wohin wir gehen sollen. Denn die alten Strukturen liegen im Sterben – sind aber noch nicht tot. Und die neuen Strukturen wachsen heran, aber sie sind noch nicht geboren.
„Alles ist möglich“ wäre ein Motto um Innovationen zu überprüfen und Entwicklungen einzuleiten, die die späteren und die heranwachsenden neuen Strukturen beeinflussen. Leider folgen nur wenige Architekturschulen dieser Möglichkeiten. Sie ziehen sich mit ihrer theoretischen Auseinandersetzung in einen Elfenbeinturm zurück. Körperlose Theorie, die nichts mehr mit einem erlebbaren Raum zu tun haben, nehmen überhand. Sie dienen nur dem frisieren banaler Entwürfe. Nichts ist mehr be-greifbar. Die heranwachsenden Architekten können nicht mehr nachvollziehen, was dreidimensionaler Raum bedeutet und sie haben vor dem Diplom kaum Architektur zu bauen selber erlebt.

Christoph Chorherr hat es Studenten der TU Wien und anderen Universitäten ermöglicht, nicht nur das Erlebnis des Selbstbauens zu erfahren, er hat auch mit seinen zwei Schulprojekten einen wichtigen Entwicklungshilfebeitrag für Südafrika geleistet.
Für mich erstaunlich ist, dass ein Politiker so weitreichende Ideen entwickeln konnte und kann. Er ist nicht nur ein eloquenter Politiker, sondern auch ein Ideengeber und Motor für eine Stadtplanung, die nicht dem 19. Jahrhundert nachhängt.
Das man in einem unsäglichen Wahlkampf – der manchen Politikern moralische Verkommenheit attestiert hat – dem Politiker Chorherr vorwirft, seine Ideen nur mit angeblicher Bestechung  Geld für sich nehmen) zu verwirklichen, ist nicht nur ungeheuerlich, sondern zeigt auch, wie man hier in Österreich zu denken pflegt. Nämlich: Wie der Schelm denkt so ist er. UND MIT SCHELM IST NICHT CHRISTOPH CHORHERR GEMEINT.
* * *

PS:

Auch der Wiener Stadtrechnungshof hat auf Antrag der FPÖ s2arch geprüft.

Hier der seit einem Jahr öffentlich zugängliche Bericht des Stadtrechnungshofs, sowie die zusammenfassende Antwort des amtierenden Vorstands von s2arch.

Darin wird auch auf die Kritik geantwortet, die Abrechnungen seien nicht ausreichend ausführlich abgegeben worden.

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13 Prinzipien qualitätsvoller Stadtplanung

Am Freitag, den 25. Oktober war ich auf einer Konferenz der UIA ( International Union of Architects) und der ACE (architects council of europe) in Paris im Gebäude der UNESCO eingeladen, um einen Vortrag zum Thema „Why do we need quality in our built environment“ zu halten.

Hier eine leicht gekürzte Version meines Referates.

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Meine Damen und Herren!
Darf ich den Titel, die Frage, die Sie mir gestellt haben („Why do we need quality in our built environment“) leicht verändern?

„Was bedeutet Qualität in unserer gebauten Umgebung, ich möchte präzisieren: in unseren neuen Stadtteilen?“

Ich darf mir erlauben, diese so wichtige Frage, wie kommen wir zu gebauter Qualität mit 13 kurzen Prinzipien zu beantworten.

1. Konzentriert Euch auf den Öffentlicher Raum.

Die Qualität der Strassen und der Plätze sind das Herz der Stadt. Dort begegnen sich Menschen.
Jane Jacobs hat es wunderbar so ausgedrückt:“Das außen des Hauses ist das innen der Stadt.“

2. Haltet die Autos draußen.

Baut „streets“ und keine „roads“
Wir haben in Wien hervorragende Erfahrungen mit Begegnungszonen gemacht.
Kinder, Fußgänger mitten auf der Strasse.
Autos fahren plötzlich total langsam und vorsichtig, wenn von links und rechts Menschen queren dürfen.
Es wird leiser, sicherer, humaner, städtischer.

Baut leistungsfähig öffentliche Verkehrsmittel, macht sie erschwinglich und achtet auf attraktive Flächen für Fußgänger und Radfahrer.

3. Baut keine Garagen unter Häusern,
sondern mindestens soweit weg von den Wohnungen und Büros, wie die nächste Haltestelle des öffentlichen Verkehrs ist.
So belebt Ihr Straßen.
Denn es gibts keinen stärkeren Anreiz, das eigene Auto zu nützen, als in der Früh noch müde nur mit dem Lift in die Garage zu fahren.

4. Habt keine Angst vor dichter Bebauung,

dafür baut großzügige Parks und Grünflächen.
Es wird immer heisser in unseren Städten und Parks und Bäume sind die besten Klimaanlagen.

5. Verbannt Öl, Kohle und Gas aus Euren Häusern.

Das mit der Klimakrise ist ernst. Sehr ernst. Und glaubt mir: Es gibt wunderbare, erprobte Alternativen, wie Häuser im Winter warm und im Sommer angenehm kühl bleiben, ohne fossile Verbrennung.

6. Sorgt dafür daß lebendige hohe Erdgeschosse gebaut werden.

Besser 5 Meter als 3 Meter hoch.
Lebendige Erdgeschosse mit Restaurants, Geschäften, aber auch ganz anderen Nutzungen bringen jene Vielfalt, die wir an Städten lieben.

7. Fördert Duchmischung bei neuen Stadtvierteln.

Durchmischen von reich und arm , gefördert-sozialen Wohnungen und freifinanzierten teuren.
Wenn due kinder von Reich und arm im selben Stadtteil wohnen und in die gemeinsame Schule gehen ermöglicht das sozialen Ausgleich und spart enorm teure Ausgaben für Polizei und Kriminalitätsbekämpfung.
Wir in Wien haben uns entschieden: Besser Millionen in den sozialen Wohnbau zu stecken als in die Polizei.

8. Pflegt den gemeinnützigen Wohnbau.
Einen Wohnbau, der qualitätsvoll ist, aber keine Rendite erwirtschaften muss. Das ermöglicht langfristig leistbaren Wohnraum in Städten.
Wir haben in Wien 220 000 Wohnungen die der Stadt gehören und nochmals 150 000 Wohnungen die den strengen Regeln der Gemeinnützigkeit unterliegen.
Diese günstigen Wohnungen halten die Mieten relativ niedrig.
Das ist ein enormer Schatz.

9. Durchmischt Stadtteile aber auch nach Funktionen.
Werft die absurde Charta von Athen, die Funktionstrennung zum Ziel hatte, endlich in die Ecke.
Stadt heisst: Im selben Viertel Wohnen und Arbeiten, Freizeit und Schule, Kultur und Sozialeinrichtungen:
Baut Städte nicht Wohnsiedlungen.

10. Behaltet den Boden im Eigentum der Stadt und entzieht den städtischen Boden der Spekulation.
Es gibt keinen funktionierenden Markt beim knappen nicht vermehrbaren Gut „Boden“
Er kann nicht produziert werden. Wenn die Nachfrage steigt, explodiert nur der Preis und macht einige wenige meist schon sehr reiche noch reicher.
Bezahlen müssen das alle durch enorm steigende Wohnungskosten.
Wir haben, darauf bin ich besonders stolz, jüngst in Wien eine „Widmungskategorie geförderter Wohnbau“ eingeführt.
In aller Kürze::
Bei Aufzonungen, welche den Wert von Grundstücken enorm steigern müssen zwei Drittel zu den sehr günstigen Mietbedingungen des geförderten Wohnbaus mit gedeckten Grundkosten angeboten werden.

11. Scheut Euch nicht, das wichtigste Wort der Stadtplanung zu verwenden. Es hat 4 Buchstaben: Nein
Nein zu innengerichteten Shopping Zentren
Nein zu neuen Strassen
Nein zu schlechter Architektur
Nein zu Stadtentwicklungen, die den Ort nicht besser sondern schlechter machen

12. Wagt, ein leider in Architektur und Stadtplanung verdrängtes Wort wieder in den Mund zu nehmen. Schönheit.
Ich weiß, das ist eine schwierige, umstrittene Diskussion.
Nein, ich kann nicht exakt definieren, was schön ist.
Aber im öffentlichen Diskurs gibt es klare Anhaltspunkte dafür.
Was jedenfalls ein guter Einstieg ist: Fragt Architekten und Stadtplaner, was an ihren Entwürfen schön ist. Allein diese Frage verändert schon viel.
13. Dieses letze Prinzip richtet sich an Politiker/innen und Mitarbeiter/innen und Beamte der Städte: Ihr seid stark.
Ihr macht Widmungen und Bebauungspläne, welche Investoren brauchen.
Ihr erteilt Auflagen, wie gebaut wird.
Ihr könnt Bauträger öffentliche Räume qualitätsvoll gestalten und mitfinanzieren lassen.
Ihr könnt architektonisch schlechte Projekte zurückweisen.
Ihr seid die Vertreter der Bevölkerung.
Ihr habt Macht!
Nützt sie, die Stadt grüner, gerechter und menschenfreundlicher zu machen.
Wie ihr das messen sollt?
Eine simple Regel:
Was gut für die Kinder ist, ist für alle gut.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Klimakrise. Das kann/muss Politik tun

Jetzt neue Hitzewelle.
Große, ganz große politische Frage.
Was kann Politik wirklich tun, um Klimakrise zu entschärfen?
Viel.
Das wichtigste: die Dimension begreifen.
Für mich bester Vergleich: Brutalokapitalismus, wie es F. Engels in „Lage der arbeitenden Klasse in England“beschrieben hat.
Wer hätte sich 1845 vorstellen können:
8 Stunden Tag
Recht auf bezahlten Urlaub/Karenz
bezahlte Krankenauszeit
Verbot Kinderarbeit
Arbeitslosenversicherung
Bezahlte Pension
uvm
All das gelang in gut 120 Jahren

Jetzt muss vergleichbar heute noch unvorstellbare tiefe Umgestaltung in 10 bi 15 Jahren gelingen.
Was heute unvorstellbar ist, wird in 10 Jahren selbstverständlich sein

Stufe 1:
CO2/Umweltsteuer, um Rationalisierungskraft der technischen Innovationen von Arbeit auf Emissionen und Umweltbelastung umzuleiten. Ist (wie alles) kein Allheilmittel, aber unverzichtbar
Weiters, Wärmewende: Keinerlei fossile Beheizung/Kühlung vorerst bei neuen Gebäuden
Stromwende vollenden: 100% erneuerbar innerhalb kurzer Frist.

Verkehrswende: Massive Verstärkung öffentlicher Verkehrssysteme in und zu Ballungsräumen.
Teilfinanziert durch Flugabgaben (Mineralölsteuer auch auf Flugverkehr/sonst: gestaffelte Start/Landegebühren)
Ballungsgebiete verstärken mit Staumaut und/oder Parkgebühren. Umstieg auf Bahn/Tram/Rad.

Städte werden Kopenhagen folgen.
Autos werden Ausnahme sein, und wie Gasthäuser benutzt werden. Man nutzt sie gelegentlich dann, wenn man sie braucht, besitzt sie aber nicht. Dadurch wir massiv öffentlicher Raum zurückgewonnen.
D.h. Reduktion der Zahl der Autos um 75%- 90% , diese werden völlig abgasfrei betrieben

Stufe 2:
Bestehende internationale Freihandels“Infrastruktur“ (WTO etc) wird zur ökologischen Sanierung eingesetzt. An den Vorteilen des Freihandels dürfe nur jene Staaten teilnehmen, die intern. Abkommen (z.B. Parisabkommen) einhalten.
So und nur so könnte z.B. katastrophale Abholzung des brasilianischen Regenwaldes bekämpft werden.
Hier kommt der EU Schlüsselrolle zu.
Innerhalb der EU werden eine „Willige“ vorangehen müssen.

Landwirtschaftswende: Erkenntnisse und Erfahrungen der ökologischen Landwirtschaft werden zur Regel.
Wie es heute unverständlich ist, dass in Sitzungen geraucht wird, wird es „no-go“ sein, mit Chemikalien Boden/Grundwasser/Insekten zu vergiften.

Bauwende: Zur Errichtung der rd 2 Mrd (!) Wohnungen/Häuser, welche weltweit bis 2100 notwendig sind, werden nicht mehr die extrem CO2 intensive Materialien Beton(Zement) und Stahl, sondern nachwachsende Rohstoffe verwendet.
Die geniale Fotosynthese wird genutzt.
Holz etc. so für 100 bis 200 Jahre zu „speichern“ ist intelligenteste CO2 Reduktion.

Hier gibt es bes. in Österreich enorm viel know-how.

Es wird noch viel, viel mehr kommen müssen.
Auch Friedrich Engels hätte alles, was an Sozialstaat gekommen ist (erkämpft wurde)  1845 niemals vorhersagen können.
Es wird auch nicht ohne schwere Konflikte gehen.
Das „fossile Zeitalter“ ist rund 250 Jahre alt.
Jetzt gilt es innerhalb von 15 Jahren daraus auszusteigen.
Its possible.
Join!

Politisches – Berufliches

Politisches – Persönliches

14% österreichweit, über 20% in Wien.
Dank der Wähler/innen durften wir Grüne bei der EU-Wahl ein tolles Comeback feiern .
Jetzt gibt es die (zeitlich) unerwartete Chance, noch heuer ins österr. Parlament zurückzukehren und dort wieder grüne Politik, va Klimapolitik zu machen.
Weil ich dieser Tage wiederholt gefragt wurde, ob ich da nicht selbst kandidieren wolle: Ich hab mich letztes Jahr entschieden, nach 27 Jahren als Berufspolitiker etwas Neues zu beginnen, und dabei bleibt´s.
Gerne unterstütze ich in Wien ehrenamtlich meine Grünen, besonders Peter Kraus und Birgit Hebein, solange sie das wollen, und mit vollem Engagement werde ich den Wahlkampf der Bundesgrünen unterstützen.
Aber meine (lange) Phase als Mandatar und Berufspolitiker ist vorbei.
Auf zu neuen Ufern!

Unsere Bäckerei

Weil es auch hier oft Fragen gibt: Wir eröffnen Bäckerei und Kaffehaus heuer erst im November, weil das Haus am Nordbahnhof noch in Bau ist.
Derzeit siehts so aus.

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(bitte unseren bescheidenen Eingang zu würdigen)
Es gibt aber derzeit viel zu tun:
Betriebsanlagenbewilligung
Einrichtung
Vorbereitung des Crowd-Fundings
Suche der Mitarbeiter/innen
Gestaltung unserer Lastenräder, die zu Marktständen werden
und vieles mehr
Macht jedenfalls alles sehr viel Freude.

Aber auch der Städtebau und die Architektur lassen mich nicht völlig los.

Lange bevor Klimaschutz (endlich!)  ein so großes Thema wie jetzt geworden ist, war klimagerechtes Bauen ein starker politisch/persönlicher Schwerpunkt.

Hier möchte und kann ich nicht alles aufzählen, nur beispielhaft wenige Projekte, die ich vorangetrieben habe:
Eine der weltweit größten Passivhaussiedlungen
Die pop-up Dorms in der Seestadt
Und klarerweise die neue Bauordnung, die fossile Beheizung in Wien zu Ausnahme macht, und bei Neubauten Gasetagenheizungen völlig untersagt.
All das hat dazu geführt, daß  die CO2 Emissionen des Gebäudesektors in Wien deutlich gesunken sind.

Denn es wird total unterschätzt, wie relevant der Anteil von Heizen und Kühlen von Gebäuden am Treibhauseffekt ist.
Allein in Wien wird dafür mehr Energie verwendet, als im gesamten Verkehrssektor.

Nach meinem Rückzug als Berufspolitiker erreichten mich etliche Anfragen, mein Know-How in Unternehmen einzubringen.
Das hat mich einerseits natürlich gefreut.
Andererseits war mir bei meiner Entscheidung das wichtig:
Ich möchte in Zukunft selbständig als Unternehmer arbeiten.
Und mein berufliches Wirken soll einen starken (möglichst auch internationalen) Impuls für klimagerechtes Bauen sowie sozialen Wohnbau zur Folge haben.
Denn die Immobilienwirtschaft muß bei der Energiewende und der Reduktion der Treibhausgase eine Schlüsselrolle einnehmen.
Letztlich habe ich mich für eine Kooperation mit Erwin Soravia entschieden.
Dieser plant  einerseits eine internationale Marke für klimagerechten, dekarbonisierten  Bürobau, der im Sommer angenehm kühl und im Winter ebenso angenehm warm sein soll, ohne jegliche fossile Energieverwendung.
Ausserdem möchte er, als Konsequenz der Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“ einen Bauträger entwickeln, der sich dem geförderten, kostengünstigen Wohnbau widmet.
Und ich wurde gefragt, ob ich diese beiden Projekte, die groß und international aufgesetzt werden sollen,  mit meinem Know how begleiten möchte.
Das interessiert mich sehr, und ich habe gerne Ja gesagt.
So eröffnet sich für mich eine Chance, Klimaschutz nicht nur als Politiker, sondern jetzt auch ausserhalb der Politik massiv voranzutreiben.
Und ich freue mich, das Motto meiner langen politischen Tätigkeit „Schärfer als die schärfste Kritik ist die konkrete Alternative“ auch jetzt beruflich als Unternehmer umsetzen zu können.

 

meine letzte politische Rede

Meine letzte politische Rede: „Die Qualität, das Leben und die Stadt“ gestern auf der Bühne des TAG. Zum Nachhören als podcast hier:

auf Wusch die von mir in der Rede empfohlenen Bücher:

Richard Sennett: Die offene Stadt

François Jullien: Vortrag vor Managern über Wirksamkeit und Effizienz in China und im Westen

Thomas Bauer: Die Vereindeutigung der Welt

Nassim Taleb: Der schwarze Schwan

und hier das wunderbare Gedicht von Friedrich Nietzsche:

Verein­samt

Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n –
Wohl dem, der jetzt noch — Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rück­wärts, ach! wie lange schon!
Was bist du, Narr,
Vor winters in die Welt entflohn?

Die Welt — ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! –
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n,
Weh dem, der keine Heimat hat!

 

Eine besondere Bibliothek für einen besonderen Platz

Das Zentrum Kagran soll in den nächsten Jahrzehnten Stadtzentrum des „Lido“ werden, der Bezirke nordöstlich der Donau. Dazu hat die Stadtentwicklungskommission ein Leitbild beschlossen. Neben Einkaufen, Schulen, Bezirkszentrum, Wohnungen und Unterhaltung braucht ein Stadtzentrum auch ein kulturelles Angebot.

Deswegen soll hier, an diesem besonderen Platz der Stadt eine „Iconic Library“ – eine Bibliothek in einem Hochhaus mit herausragender Architektur – errichtet werden. Die Bibliothek soll im Sockel des Gebäudes Raum finden, darüber gemischte Nutzungen mit einem Schwerpunkt auf Wohnen.

Zum unteren Bild, dem Bauplatz.

Die „Rauchfahne“ steigt am Bauplatz auf, und neigt sich über die Straßenmitte.

Ich habe bewußt diese „Visulaisierung“ gewählt, die keinerlei architektonische Idee beeinhaltet. Diese soll bei einem internationalen Architekturwettbewerb gefunden werden.

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Der Bauplatz von oben:

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Blick zum Stephansdom

Es gibt eine deutlich sichtbare Achse von genau diesem Standort (Kreuzung Wagramerstrasse – Donaustadtstrasse) bis zum Stephansdom.

Es gibt keine schönere städtebauliche Vorstellung, als der Blick aus einem Fenster  einer Bibliothek im neuen Stadtzentrum, von dem aus man entlang der Wagramerstrasse den Stephansdom sieht. Oder umgekehrt: Man fährt aus der City ins neue Stadtzentrum und sieht ein herausragendes Haus, eine städtische Bibliothek.

Dieser besondere Standort wurde deswegen bereits in der Stadtentwicklungskommission besonders herausgehoben und als Hochhausstandort mit kultureller Nutzung (Höhe rund 85 Meter) ausgezeichnet.

So wird der Blick aus den Fenstern der Bibliothek aussehen.

(in der Mitte der Stephansdom, links der Schneeberg)

 

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Grundeigentümer ist das Donauzentrum (Unibail-Rodamco-Westfield), welche in Kooperation mit dem Bauträger Sozialbau dieses Projekt realisieren wollen.

Als nächsten Schritt wird in Kooperation mit der Stadt noch heuer ein internationaler Architektenwettbewerb ausgeschrieben, welches für diesen außergewöhnlichen Standort ein aussergewöhnliches Gebäude küren soll. Dann kann die Widmung und im Anschluß ein Baubeginn erfolgen.

Ein Meilenstein. Die neue Wiener Bauordnung

update 23.11.2018 : meine Rede zur neuen Bauordung im Wiener Gemeinderat

In Städten, in Wien zu leben ist beliebt.
Seine Bevölkerung wächst stark.
Wien erlebt deswegen die baulich expansivste Phase seiner Stadtgeschichte.
In den nächsten 15-20 Jahren wird in Wien mehr „Stadt gebaut“ werden, als in Österreichs zweitgrößter Stadt Graz gebaut ist.

Die Bauordnung, ein Landesgesetz, regelt die Kriterien, nach denen gebaut wird.
Jetzt haben wir in der rot/grünen Landesregierung in sehr langen Verhandlungen eine große Reform dieses Regelwerkes ausgearbeitet. Heute, am 22. November wird es diskutiert und im Landtag beschlossen.

Hier vorweg das mir Wichtigste:

1a) Klimaschutz
Wie wird geheizt?
Ist eine Wärmewende möglich?
Kann bei Heizung/Kühlung aus der Fossilwirtschaft ausgestiegen werden?
Hier gehen wir einen riesigen Schritt Richtund Dekarbonisierung.
Neue Gebäude werden in Zukunft weitestgehend ohne fossile Verbrennung beheizt werden.
Nicht nur Ölheizungen werden in neu zu errichteten Häusern untersagt, sondern auch Gasthermen in Wohnungen.
Vorrang wird der Abwärmenutzung, erneuerbaren Energieträgern und Passivhäusern gegeben.
Dafür werden wir Energieraumplanung im Ressort Stadt- und Energieplanung verankern.
Weiters wird im § 1 der Bauordnung, der die Ziele definiert, Klimaschutz klar verankert.
Das ermöglicht der Stadt in städtebaulichen Verträgen, die bei sehr vielen Stadterweiterungsprojekten abgeschlossen werden, klare Vereinbarungen zur dekarbonisierten Wärmeversorgung zu vereinbaren.
(Details dazu weiter unten)

1b) Leistbares Wohnen I

Die Widmungskategorie gefördeter Wohnbau, die wirksamste Maßnahme zur Bekämpfung von Grundstücksspekulation

Das hab ich hier sehr genau beschrieben

2.) Stadtbildschutz
Der Charakter des gründerzeitlichen Wiens prägt unsere Stadt.
Aus gewinnmaximierenden Gründen werden aber immer häufiger Gründerzeithäuser abgerissen.
Allein im Vorjahr 2017 waren es rund 115 Häuser.
Die zwei Hauptgründe der Abrisse:
Bei Gründerzeithäusern gilt das Mietrechtsgesetz und deckelt die Mieten, im Neubau nicht.
Die meisten Gründerzeithäuser haben hohe Räume, was auch ihre Qualität ausmacht.
Durch Abriss und Neubau können in derselben gewidmeten Bauhöhe mehr vermiet/verkaufbare Flächen geschaffen werden.
Deswegen ist Abriss wirtschaftlich attraktiv.
Bisher war das weitgehend bewilligungsfrei möglich.
In Zukunft bedarf es für den Abriss eines Gebäudes, das vor 1945 errichtet wrde es einer positiven Stellungnahme der für Stadtbildschutz zuständigen MA 19. Diese ist im Ressort Stadtplanung angesiedelt.
Wir glauben, allein mit dieser Maßnahme den Abriss von wertvoller Gründerzeitsubstanz signifikant eindämmen zu können.

Diese Reform wurde vorgezogen und bereits vor dem Sommer 2018 beschlossen.

3.) Leistbares Wohnen II
Auch dies wird im §1 als Ziel verankert.
Es ermöglicht der Stadt, bei Neubauvorhaben privater Entwickler und Grundeigentümer Verträge darüber abzuschließen, dass auch im ausreichenden Ausmaß leistbarer Wohnraum angeboten wird, und nicht va. teure Eigentumswohnungen, die für die Mehrheit der Wiener/innen unerschwinglich sind.
Damit soll eine zentrale und bedrohte Qualität Wiens, eine sozial gemischte Stadtentwicklung, aufrecht erhalten werden.

4.) Einschränkungen von „gewerblichem Wohnen“ wie Airbnb
Nicht nur In Barcelona, Paris oder New York, auch in Wien werden immer mehr Wohnungen der klassischen Nutzung für Stadtbewohner/innen entzogen und zur Gänze touristisch als „Hotelzimmer“ genutzt.
Dem wollen wir einen Riegel vorschieben.
Vor einigen Jahrzehnten wurde das Instrument der „Wohnzone“ für die gründerzeitliche Stadt in der Bauornung verankert. Dies diente Ende des 20 Jahrhunderts dazu, die Umwandlung von günstigem Wohn- in Büroraum zu unterbinden.
Jetzt wird festgelegt: In diesen Wohnzonen ist gewerbliches Vermieten ganzer Wohnungen nicht mehr möglich.
Die gelegentliche Untervermietung schon, solange kein Gewerbeschein notwendig ist.

5.) Schluss mit den platzverschwenderischen Einkaufsschachteln samt ebenerdiger Parkplätze
(darüber habe ich hier schon öfters geschrieben)
Bisher war es ohne eigene Widmung möglich, in Betriebs- oder Gewerbegebieten Einkaufszentren bis zur Grösse von 2500 m2 Fläche zu errichten.
Das Ergebnis ist an den Rändern der Stadt zu besichtigen.
Eine Schachtel neben der anderen, Gewebegebiete wachsen so zu unkoordinierten stadtunverträglichen Einkaufszentren zusammen.
Jetzt wird festgelegt, dass bereits ab 1000 m2 eine eigene Widmung zu erwirken ist. Damit eröffnet sich für die Stadtplanung ein zusätzliches Gestaltungselement.

6.) Erleichterung bei der Stellplatzverpflichtung

Auflassung von nicht benötigten Pflichtstellplätzen:
die Verpflichtung soll entfallen, sofern dies sachlich begründet wird.
Damit können bei Neubauten auf die Schaffung von Garagenplätzen verzichtet werden, wenn bereits errichtete (unternutzte) Stellplätze in der Nähe bestehen.
Dies führt ua. zu reduzierten Baukosten.

Stellplatzverpflichtung bei Sanierungen mit DG-Ausbau:
Bei einem Zu- oder Umbau oder bei Änderungen der Raumwidmung soll die Berechnung der Stellplatzverpflichtung so erfolgen, dass keine Schlechterstellung zu der Regelung vor der Novelle 2014
(Gegenrechnung von zusammengelegten Wohnungen und
neu geschaffenen Wohnungen) besteht.

7.) Begrünung von Gebäudefronten:
Diese kann künftig im Bebauungsplan
vorgesehen werden.

8.) Je 30m2 Wohnungsfläche muss ein Fahrradabstellplatz geschaffen werden

Hier Punkt 1. Klimaschutz etwas genauer erklärt:

Die Bauordnungsnovelle berücksichtigt das „Pariser Klimaschutzabkommen“: Priorität für die Fernwärme-Anschlussverdichtung und für erneuerbare Wärme-Versorgungen. Einbau fossiler Heizsysteme wird im Wohnungsneubau massiv zurückgedrängt. Grünes Licht für die Energieraumplanung in Wien.
• Klimaschutz und Vermeidung doppelter Infrastrukturen als neue Planungsziele (§ 1 Abs. 2): „Vorsorge für klimaschonende und zeitgemäße Einrichtungen zur Ver- und Entsorgung, insbesondere in Bezug auf Wasser, Energie und Abfall unter besonderer Berücksichtigung der effizienten Nutzung der Potentiale von Abwärme und erneuerbaren Energien und unter Vermeidung einer unzumutbaren Belastung durch Doppelgleisigkeiten der Infrastruktur“. 
Nahezu alle Maßnahmen der Stadt, die auf eine räumliche Differenzierung von energie- und klimaschutzrelevanten Regelungen hinauslaufen, benötigen eine ausreichende raumordnungsrechtliche Grundlage. Diese werden durch die Bauordnungsnovelle 2018 geschaffen indem das öffentliche Interesse an einer klimaschonenden Energieversorgung und an der Vermeidung paralleler Energieinfrastrukturen begründet wird.
• Basis für die Energieraumplanung geschaffen (neuer § 7g): 
„In den Bebauungsplänen können aus Gründen der geordneten, vorausschauenden und nachhaltigen Gestaltung und Entwicklung der Energiebereitstellung für Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlagen in Wien und der Nutzung dieser Energiebereitstellungen Bestimmungen über Energieraumplanung getroffen werden. Sie dienen insbesondere der Gestaltung der Nutzung von klimaschonenden Energieträgern (erneuerbare Energieträger, Abwärmenutzung und Fernwärme).“ 
Weiters legt § 7 g fest, welche energierelevanten Bestimmungen – und unter welchen Bedingungen – in derartigen Energieraumplanungsgebieten zulässig sind. In einer ersten Phase wird diese Ermächtigung wohl vor allem dafür genutzt, dass Neubaugebiete vorrangig mit Fernwärme und nicht mehr (auch noch) mit Erdgas versorgt werden. (Anmerkung: Versorgung mit erneuerbarer Wärme ist immer möglich.)
• Erhöhte Solarverpflichtung bei neuen erdgasversorgten Wohngebäuden (§ 118 3c): 
Erfolgt die Heizung und Warmwasserbereitung in einem neuen Wohnbau nicht mit Fernwärme oder erneuerbarer Energie sondern mit Erdgas, so muss mindestens 20 Prozent des Warmwasserbedarfs mit Solarenergie gedeckt werden. Das ist eine Verdoppelung gegenüber der bisherigen Regelung und es wird auch sichergestellt, dass zumindest die Hälfte dieser Verpflichtung nicht mehr durch Effizienzmaßnahmen abtauschbar ist. Diese Regelung soll – neben der Unterstützung für Solarstrom- und -thermieanlagen – auch eine generelle Marktverschiebung weg von Erdgasheizungen hin zur Fernwärme und zu Erneuerbaren im Neubau unterstützen.
• Ölheizungen und Gas-Kombithermen im Wohnungsneubau nicht mehr zulässig ($ 118 3e): „In Neubauten ist die Errichtung von Wärmebereitstellungsanlagen für feste und flüssige fossile Energieträger sowie von dezentralen Wärmebereitstellungsanlagen für gasförmige fossile Energieträger nicht zulässig“. Andere Bundesländer diskutieren über ein Ölheizungsverbot, Wien setzt es gesetzlich um. Und – für Wien viel relevanter – Gasthermen werden zukünftig in Neubauten nicht mehr möglich sein. Damit soll verhindert werden, dass diese Systeme, deren Lebenszeit bis gegen 2050 reicht, einer Dekarbonisierung bis zur Mitte des Jahrhunderts im Wege stehen.

Weiterentwicklung der Neubau-Verordnung in Richtung Klimaschutz
Auch im Bereich des geförderten Wohnbaus soll es zukünftig zu einer (räumlichen) Differenzierung der Förderung kommen. Im Fernwärmegebiet soll – aus Kostengründen und weil Fernwärme längerfristig vergleichsweise leichter zu dekarbonisieren sein wird – dafür gesorgt werden, dass die teure Infrastruktur bestmöglich ausgelastet wird und ein möglichst hoher Teil des Neubaus angeschlossen wird. Gasheizungen sollen insbesondere im Fernwärmegebiet so gut wie ausgeschlossen werden.
Die Fördermittel für erneuerbare Wärmeversorgungen sollen auf jene Stadtgebiete konzentriert werden, in denen es keine Fernwärme gibt. Dort wo in den letzten Jahren überwiegend Erdgas beheizte Bauten entstanden sind, sollen in Zukunft viele Quartiere mit „überwiegend“ erneuerbarer Wärmeversorgung entstehen. Mit einer besonders attraktiven Wohnbauförderung sollen auch Klimaschutz-Vorzeigequartiere möglich werden.
Und natürlich bleibt auch in Hinkunft eine hohe Energieeffizienz der Gebäude oberstes Ziel.
• Förderung für mehr Energieeffizienz im geförderten Wohnungsneubau: 
Für Bauvorhaben mit gegenüber Bauordnungsstandard verbesserter Gebäudehüllenqualität wie dem Niedrigstenergiehausstandard (HWB-Anforderung gemäß 10er-Linie) kann ein nichtrückzahlbarer Zuschuss in Höhe von bis zu 25 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche und für die Errichtung einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung in Höhe von bis zu 20 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche gewährt werden.
• Neu: Massive Förderung für Wohnbauten mit „überwiegend“ erneuerbarer Wärmeversorgung soll die Errichtung von Klimaschutz-Vorzeige-Quartieren möglich machen. 
Wo keine Fernwärmeanschlussmöglichkeit besteht soll es zukünftig den Bauträgern leicht gemacht werden auf erneuerbare Energien zu setzen und damit die Gasheizung nur mehr zu Spitzenlastzeiten oder gar nicht mehr zu verwenden. Bei überwiegender Abdeckung des Gesamtwärmebedarfs durch erneuerbare Energieträger soll ein nichtrückzahlbarer Zuschuss in Höhe von bis zu 50 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche gewährt werden.

Trump, eine grandiose Analyse. Geschrieben 1948

Die Wahl von Trump war neben der Brexit-Abstimmung meine größte Fehleinschätzung, die mich heute noch quält.

Ich war felsenfest der Überzeugung, so jemand könne niemals Präsident der USA werden.

Seitdem lese ich sehr viel, um zu verstehen, was da passiert ist.

Und jetzt ein „Wow“, wenn ich das als 57-jähriger so formulieren darf.

Der mir Abstand beste Text zum Verständnis Trumps, und mit Abstrichen auch: eine hervorragende Erklärung der FPÖ, der AfD, Salvinis, etc.

Ein Text, geschrieben 1948.

Von Leo Löwenthal, einem von den Nazis in die USA geflohenen Deutschen.

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Löwenthal war, was ich nicht wußte, auch Mitbegründer der Frankfurter Schule.

Kristallklares Denken, ebenso klare Sprache.

Löwenthal analyisiert amerikanische faschistische Agitatoren. Ihre Strategien, ihre Rgetorik, die Faszination, die sie ausüben.

Schon dieser Gedanke Löwenthals ist bestechend:

Er bezeichnet die Strategie dieser Agitatoren als „umgekehrte Psychoanalyse“.

Denn:

Ein guter Psychoanalytiker macht sich selbst überflüssig, indem er seine Patienten lehrt, sich aus neurotischen Verstrickungen und Ängsten zu lösen und somit Autonomie zu gewinnen. Der Agitator macht das Gegenteil. Er verstärkt die unbewussten Ängste und neurotischen Zwänge seines Publikums, um es so an sich zu binden. Denn die Unmündigkeit der Klientel ist sein Kapital.

Löwenthal unterscheidet den Reformer und den Revolutionär auf der einen, den Agitator auf der anderen Seite.

Während erstere auf unterschiedliche Weise die negativen Umstände („Malaise“ nennt es Löwenthal) beseitigen wollen, nährt sich der Agitator bloß davon.

„Unter dem Deckmantel des Protests gegen diese bedrückende Erfahrung verstrickt er (der Agitator) sein Publikum noch stärker darin. Da sein Scheinprotest niemals eine wirkliche Lösung anstrebt, besteht sein Verführungsakt letztlich darin , seinen Anhängern den Ausweg aus einem Zustand ständiger Unterdrückung in Form irrationaler Ausbrüche anzubieten. Die Malaise wird nicht vom Agitator geschaffen, jedoch verschlimmert und fixiert er sie, indem er den Weg zu ihrer Überwindung blockiert.“

Lesenswert auch diese Passage:

„Soziale Malaise kann mit einer Hautkrankheit verglichen werden. Der daran leidende Patient hat das instinktive Bedürfnis, sich zu kratzen.

Folgt er dem Rat eines erfahrenen Arztes, wird er diesem Bedürfnis nicht nachgeben und stattdessen versuchen, die Ursache des Juckreizes durch Heilmittel zu beseitigen. Gibt er jedoch seinem instinktiven Kratzbedürfnis nach, wird der Juckreiz sich nur noch steigern. Dieser irrationale Akt der Selbstverstümmelung wird ihm zwar eine gewisse Erleichterung verschaffen, verstärkt aber gleichzeitig sein Bedürfnis zu kratzen und verhindert eine erfolgreiche Heilung seiner Krankheit.

Der Agitator rät zum Kratzen.“

Sein kurzes Schlußkapitel hier ungekürzt.

Entkleidet man „die Erzählung“ des Agitators der vielfältigen rhetorischen Tricks und reduziert sie auf den Kern, was er meint und anspricht, dann müßte es, nach Löwenthal so lauten:

Was der Agitator meint:

„Meine Freunde, wir leben in einer Welt der Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Wer immer glaubt, daß dieser Zustand sich je ändern wird, je geändert werden könnte, ist ein Narr oder Lügner. Unterdrückung und Ungerechtigkeit sind – wie Krieg und Hungersnot – die Begleiterscheinungen der menschlichen Existenz. Idealisten, die dies leugnen, belügen sich selbst – schlimmer noch: sie führen euch an der Nase herum. In Gesten humaner Brüderlichkeit zu schwelgen, ist nur ein Köder für Einfaltspinsel und Dummköpfe, die sich dadurch von ihrem rechtmäßigen Anteil an der heutzutage vorhandenen Beute abhalten lassen. Sagt euch nicht eure eigene Erfahrung, daß ihr für euren Idealismus immer habt zahlen müssen? Seid praktisch Die Welt ist die Arena eines erbarmungslosen Überlebenskampfes. Warum solltet ihr nicht auf der Seite derer sein, die profitieren?
Anstatt mit den Unterdrückten und Leidenden gemeinsame Sache zu machen, schließt euch mir an. Ich verspreche euch weder Frieden noch Sicherheit, noch Glück. Ich erzähle euch nichts von Individualität – was immer das Wort bedeuten mag. Ich verachte solche Schlagworte, wenn ich sie auch gelegentlich, wenn’s paßt, selbst verwende.
Wenn ihr euch mir anschließt, verbündet ihr euch mit Kraft, Stärke und Macht – den Waffen, die am Ende alle Streitigkeiten entscheiden. Ich biete euch Prügelknaben an – Juden, Radikale, Plutokraten und sonstige Kreaturen, die unsere Fantasie erfinden kann. Ihr könnt sie beschimpfen und schließlich verfolgen. Worin besteht der Unterschied? Es ist ja gleichgültig. Es kommt ja nicht darauf an, daß sie eure wahren Feinde sind, solange ihr sie ausplündern und eure Wut an ihnen auslassen könnt.
Ich biete euch nicht eine Utopie, sondern einen realistischen Kampf um den Knochen im Maul des anderen Hundes; das ist unser Programm. Nicht Frieden, sondern ständiger Kampf ums Überleben. Nicht Überfluß, aber den Löwenanteil. Könnt ihr, wenn ihr realistisch seid, mehr erwarten?
Um das zu erreichen müßt ihr mir folgen. Wir wollen eine Bewegung des Schreckens organisieren. Wir werden uns mit den Mächtigen verbünden, um einen Teil ihrer Privilegien zu gewinnen. Anstatt Gefangene werden wir Polizisten sein. Und ich bin euer Führer. Ich werde für euch denken und euch sagen, was zu tun ist. In meiner Führerrolle werde ich euch euer Leben vorleben, und ich werde euer Beschützer sein. In der Hölle meiner Erbarmungslosigkeit winkt euch ein trautes Heim.“

142 Seiten hat Löwenthals grandioser Text „Falsche Propheten“

Unbedingte Leseempfehlung.